Quelle: zeit.de
Sehr verehrte Frau Präsidentin Göring-Eckardt, sehr verehrter Herr Bundeskanzler Scholz. Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, Gäste, anwesende Journalisten. Sehr verehrtes deutsches Volk. Ich wende mich an Sie nach drei Wochen des unerwarteten Angriffs der russischen Truppen auf die Ukraine. Nach acht Jahren Krieg im Osten unseres Landes, im Donbass. Ich wende mich an Sie.
Russland bombardiert unsere Städte und zerstört alles in der Ukraine: Wohnviertel, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen – alles. Mit Raketen, mit Bomben, mit Artillerie. In drei Wochen sind sehr viele Ukrainer gestorben, Tausende. Die Besatzer haben 108 Kinder getötet – mitten in Europa, bei uns, im Jahr 2022.
Ich wende mich an Sie nach vielen Treffen, Verhandlungen, Erklärungen und Bitten. Nach Schritten zur Unterstützung, von denen manche zu spät gekommen sind, und nach Sanktionen, die vielleicht zu gering sind, um diesen Krieg zu stoppen. Und nachdem wir gesehen haben, wie viele Ihrer Unternehmen noch in Russland geblieben sind – im Land, das euch und einige andere Länder einfach ausnutzt, um den Krieg zu finanzieren.
In drei Wochen des Krieges für unser Leben, für unsere Freiheit haben wir uns davon überzeugt, was wir zuvor gespürt haben – und was Sie vielleicht nicht alle merken. Sie befinden sich wieder hinter einer Mauer. Nicht hinter der Berliner Mauer. Sondern mitten in Europa. Zwischen Freiheit und Unfreiheit. Und diese Mauer wird mit jeder Bombe stärker, die auf unseren Boden fällt – auf die Ukraine. Bei jeder Entscheidung, die nicht für den Frieden getroffen wurde. Die nicht von Ihnen getroffen wurde, obwohl sie helfen könnte.
Wann ist das geschehen? Sehr verehrte Politiker. Sehr verehrtes deutsches Volk. Warum ist das möglich? Wir haben gesagt, dass Nord Stream 2 eine Waffe und Vorbereitung auf den großen Krieg ist, und wir haben als Antwort bekommen: Das ist Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Und das war Zement für die neue Mauer.
Als wir euch gefragt haben, was die Ukraine tun soll, um Mitglied der Nato zu werden, um Sicherheitsgarantien zu bekommen – haben wir die Antwort gehört: Es ist bislang keine solche Entscheidung auf dem Tisch und auch nicht in der nächsten Zeit. Das war traurig für uns. Und auch jetzt zögern Sie beim Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union. Offen gesagt: Für manche ist das Politik. In Wirklichkeit sind das Steine für die neue Mauer.
Als wir um präventive Sanktionen gebeten haben, wandten wir uns an Europa, wandten wir uns an viele Länder. Wir wandten uns an euch. Damit der Aggressor spürte, dass ihr Macht habt. Aber wir spürten die Verzögerungen, den Widerstand. Wir haben kapiert, Sie wollen die Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft weiter fortführen. Und auch jetzt sind die Handelsrouten zwischen euch und dem Land, das Europa wieder einmal einen brutalen Krieg gebracht hat, Stacheldraht über der Mauer.
Und Sie sehen nicht, was sich hinter dieser Mauer verbirgt. Das ist eine Mauer zwischen den Menschen in Europa. Und deswegen verstehen nicht alle, was wir gerade erleben.
Ich wende mich an euch im Namen aller Ukrainer. Ich wende mich an euch im Namen der Einwohner von Mariupol – Zivilisten einer Stadt, die von russischen Truppen blockiert und praktisch dem Erdboden gleichgemacht wurde. Sie vernichten alles dort. Alles und alle, die dort sind. Hunderttausende Menschen stehen rund um die Uhr unter Beschuss. 24 Stunden am Tag ohne Essen, ohne Wasser, ohne Strom. 24 Stunden ohne Kommunikation. Wochenlang.
Die russischen Truppen unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Militär. Es interessiert sie nicht, wo zivile Objekte sind, sie betrachten alles als Zielscheibe. Ein Theater, das Hunderten Menschen Schutz bot und das gestern gesprengt wurde, eine Geburtsklinik, ein Kinderkrankenhaus, Wohngebiete ohne irgendwelche militärische Einrichtungen – sie zerstören alles – rund um die Uhr. Und sie lassen keine humanitären Güter in die blockierte Stadt. Fünf Tage lang haben die russischen Truppen nicht aufgehört zu bombardieren, um die Rettung unserer Menschen zu verhindern.
Sie können das alles sehen. Wenn Sie über die Mauer schauen. Wenn Sie sich daran erinnern, was die Berliner Luftbrücke damals bedeutete. Die möglich war, weil der Himmel sicher war. Sie wurden nicht wie jetzt in unserem Land vom Himmel getötet, da wir nicht einmal eine Luftbrücke einrichten können.
Vom Himmel kommen nur russische Bomben und russische Raketen. Ich spreche Sie an – im Namen der älteren Ukrainer, die den Zweiten Weltkrieg erfahren haben, die überlebt haben, unter Besetzung. Die vor 80 Jahren auch Babyn Jar überlebt haben. Letztes Jahr war Bundespräsident Steinmeier in Babyn Jar, um dieser Tragödie zu gedenken – ich bin sehr dankbar dafür. Und dieser Ort wurde auch von russischen Raketen getroffen – und eine Familie wurde getötet, die dort war, um der Opfer zu gedenken.
Nach 80 Jahren passiert so etwas. Ich spreche Sie an. Jedes Jahr wiederholen die Politiker "Nie wieder". Jetzt sehen wir, dass diese Worte nichts wert sind. In Europa wird ein Volk vernichtet. Es wird versucht, alles zu vernichten, wofür wir leben. Ich spreche Sie an – im Namen unserer Armee, unserer Soldaten, die unser Land und die Werte verteidigen, von denen so oft in Europa gesprochen wird: Freiheit, Gleichheit und die Möglichkeit, frei zu leben. Und sich nicht einem anderen Land zu unterwerfen, das Ansprüche stellt auf unser Gebiet. Wir versuchen es zu verteidigen – ohne Ihre tatkräftige Unterstützung.
Warum ist ein Land, das über dem Ozean liegt, etwas näher an uns, was Hilfe angeht? Weil es eine Mauer ist, die wir anscheinend noch nicht sehen. Aber wir kämpfen dafür, unser Volk zu bewahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebes deutsches Volk, ich bin sehr dankbar für alle, die uns unterstützen: einfache Deutsche, die den Ukrainern helfen. Die Journalisten, die ehrlich und aufrichtig das ganze Böse zeigen, was Russland über uns gebracht hat. Die deutschen Firmen, die Moral über Profit gestellt und diesen Schritt getan haben und nicht nur Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft sehen.
Wir sind auch den Politikern dankbar, die versuchen, diese Mauer zu durchbrechen, die Schritte unternehmen, die sich zwischen dem russischen Geld und den toten ukrainischen Kindern für das Leben aussprechen und für Sanktionen gegen Russland, die uns Frieden bringen können.
Wir sind die Ukraine, wir sind in Europa. Ich bin denen dankbar, die sich auch dafür ausgesprochen haben, Russland von Swift auszuschließen. Die wissen, dass ein Embargo nötig ist auf alles, was diesen Krieg finanziert. Und für diejenigen, die dafür einstehen, dass die Ukraine ein Mitglied der EU wird. Sie sind schon viele und es werden mehr.
Ich bin denen dankbar, die über Mauern schauen können und die wissen, dass die Verantwortung über allem steht, wenn es um Menschen geht. Es ist schwierig für uns, das ohne ihre Hilfe, ohne die Hilfe der Welt, zu überstehen und die Ukraine, Europa zu verteidigen. Das, was sie noch für uns tun können, damit man sich nicht hinterher fragt, nach diesem Krieg, nach den zerstörten Städten.
Nach der Zerstörung Charkiws, das zweite Mal in 80 Jahren, nach der Bombardierung von Donbass, Tschernihiw, Sumy – damit man sich nach 80 Jahren, nach so vielen gefallenen Menschen, nicht fragt: Was ist mit der historischen Verantwortung gegenüber der Ukraine, die es immer noch gibt? Damit man jetzt keine neue Mauer aufbaut und nicht etwas passiert, wofür man wieder diese lange Aufarbeitung braucht.
Deshalb spreche ich Sie an und sage: Wir brauchen Hilfe, auch für Europa. Europa kann nicht überleben und seine Werte bewahren. Ein ehemaliger Schauspieler, ein Präsident der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, hat mal in Berlin gesagt: "Mister Gorbatschow, tear down this wall!" Zerstören Sie diese Mauer!
Und das sage ich Ihnen: Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient. Damit ihre Nachfahren stolz auf Sie sind. Unterstützen Sie den Frieden, unterstützen Sie die Ukrainer, stoppen Sie diesen Krieg. Helfen Sie uns, diesen Krieg zu stoppen. Es lebe die Ukraine!
Es ist nur schwer nachvollziehbar, was die Ukraine und Ihre Bevölkerung durchmacht. Es ist aber sehr verständlich das Ihr Präsident Selenskyj jede Unterstützung benötigt und entsprechend sucht.
Die Frage ist, wann ist der Punkt erreicht, an dem die Welt, die NATO und auch Deutschland, nicht mehr nur zuschauen kann? Sanktionen sind die Kriegswaffen derzeit, aber wird das Putin aufhalten? Mehr als unwahrscheinlich. Putin wird nicht aufhören, bis er vollständig die Ukraine übernommen hat. Er wird Sie aber nicht besiegen, da die Bevölkerung ähnlich wie Französische Résistance gegen die Nazis weiter kämpfen wird. Es werden aber sehr viele Menschen dabei sterben. Das Blut klebt auch an all den anderen Ländern die nur zuschauen.
Es findet ein illegaler Angriff statt. Es werden Kriegsverbrechen täglich verübt. Es findet eine systematische Vertreibung der Ukrainische Bevölkerung statt. Um anschließend die Ukraine dem Mutterland Russland wieder zurück zu führen. Wer dies nicht glaubt oder versteht, sollte sich mal genauer mit dem Menschen Putin auseinandersetzen.
Nach dieser Rede, gab es keine Antwort zu seiner Rede. Nach dieser Rede, hat der Bundestag das Thema nicht weiter besprochen / diskutiert. Der Bundestag hat einfach seine Tagesordnung weitergeführt als ob es ein normaler Tag in Deutschland, in Europa ist. Geht man so mit einem Land und Präsidenten um, der gerade mitten im Krieg steht und die Zeit gefunden hat im Bundestag eine Rede zu halten?