Quelle: Journal of Personality and Social Psychology, 1999, Vol. 77, No. 6, 1121-1134 (PDF)
Ich bin nicht in Deutschland aufgewachsen und habe einen englischen Schul- und Universitätsabschluss (Neuseeland). Neben Informatik habe ich auch Psychologie als Nebenfach studiert.
Meine Aufbringung war Weltoffen und in guten wirtschaftlichen Verhältnissen.
Über die Jahre habe ich mit vielen Menschen zusammen gearbeitet. Zu meiner Bundeswehrzeit habe ich vor allem mit jungen Erwachsenen gearbeitet, anschließend Freiberuflich habe ich Schulungen/Seminare durchgeführt für Personen in der Berufsausbildung bis hin zu Mitarbeiter*innen in Firmen und in allen Altersstrukturen. Mittlerweile Festangestellt habe ich mit Auszubildenen täglich zu tun.
Über diesen Zeitraum von ~30 Jahren habe ich einen stetigen verfall der allgemeinen Bildung, kritisches Denken und Verständnis für allgemeine Dinge des alltags festgestellt.
Dies ist nicht nur erkennbar hier in Deutschland, sondern Weltweit.
Sie ist auf dem besten Wege, in die absolute Verblödung geführt zu werden. Wenn unser Erziehungs- und Bildungssystem nur noch nach den ökonomischen Gesichtspunkten von OECD und Pisa funktionieren muss, rechne ich den Jugendlichen keine guten Chancen aus.
Bernhard Heinzlmaier – 18.07.2013 – welt.de
Der Teufelskreis der Inkompetenz
Darauf schlussfolgerten Dunning und Kruger,
- dass weniger kompetente Menschen dazu neigen, sich selbst zu überschätzen
- dass sie außerdem die Kompetenz und Intelligenz anderer verkennen
- dass sie deshalb das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht erkennen und nicht die Notwendigkeit sehen, sich weiterzubilden und damit ihre Kompetenz zu steigern.
Definition und Kontextualisierung des Kompetenzbegriffes
Unter Kompetenz wird in der breiteren Bildungsdiskussion allgemein die Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung von Handlungsanforderungen verstanden. Als kompetent gelten Personen, die auf der Grundlage von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aktuell gefordertes Handeln neu generieren können. Insbesondere die Bewältigung von Anforderungen und Situationen, die im besonderen Maße ein nicht routinemäßiges Handeln und Problemlösen erfordern, wird mit dem Kompetenzkonzept hervorgehoben.
Quelle: BIBB
Viele Faktoren spielen hier rein und nicht nur das Bildungssystem.
Arbeitswelt und Erziehung
So ist der Wandel in der Arbeitswelt, das Frauen viel mehr einer Tätigkeit nachgehen und damit in der Regel, beide Erziehungsberechtigte beruflich tätig sind. Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte nicht damit sagen, das Frauen schuld sind, sondern dies ist nur ein weiterer Faktor in der gesellschaftlichen Veränderung in den letzten 30 Jahren. Als Resultat werden Kinder deutlich früher zu Krippen, Tageseltern oder Kindertagesstätten gegeben.
Eltern/Erziehungsberechtigte sind weniger in der Erziehung der eigenen Kinder involviert. Es wird teilweise absichtlich auch Kindertagesstätten / Schulen überlassen. Dies ist erkennbar durch simple einfache Dinge, wie z.B. das soziale Verhalten anderen gegenüber oder das gesellschaftsnormen und Benimmregeln nicht mehr bekannt sind.
Dies ist in sich bereits schon ein Teufelskreis. Denn Kinder dies es nie selber gelernt haben, werden es vermutlich nicht Ihren eigenen Kindern später beibringen.
Kritisches Denken muss bereits in der Erziehung der Kinder beigebracht sowie vorgelebt, in der Schulbildung gefördert und in der Berufsausbildung eingefordert werden.
Was Kritisches Denken tatsächlich ist
Zahlreiche amerikanische Autoren (z.B. Anderson, 1942; Baron, 1993; Bensley & Haynes, 1995; Brookfield, 1987; Carlson, 1995; Ennis, 1987; Halonen, 1995; Halpern, 1995 und 1998; King, 1995; Murray, 1995 und 1997; O’Donnell, 1992; Paul, 1990; Sears & Parsons, 1991; Woditsch & Schmittroth, 1991) und einige deutschsprachige (Astleitner, 1999; Eckerle, 1983; Eckerle & Kraak, 1980; Kraak, 19..; Kluwe, 1979; Petri, 1998) haben sich dazu geäußert und stimmen in erstaunlichem Maße überein.
Kritisches Denken (KD) ist, zunächst sehr allgemein gefasst, sorgfältiges Denken. Die Sorgfalt des Denkens zeigt sich vor allem im Umgang mit Annahmen und Bewertungen. Annahmen sind unsere Auffassungen und Überzeugungen von dem, was ist, also unser Sachwissen, unsere Meinungen über Personen und Institutionen, unsere Erwartungen, was wie zusammenhängt und was welche Folgen hat. Bewertungen sind die Werte, die wir hochhalten, die moralischen Normen, die wir anerkennen, und die Ziele, die wir für uns, für unsere Mitmenschen und für unsere Gesellschaft als erstrebenswert betrachten. – KD begegnet Annahmen mit den Fragen: was spricht dafür, dass es tatsächlich so ist? Und was spricht dagegen? Es legt den analogen Maßstab an Bewertungen: was spricht dafür, dass es so gut ist, dass es so sein soll? Und was spricht dagegen?
KD bildet einen Denkrahmen, der die folgenden Denkschritte enthält: (a) Die Identifikation und Präzisierung von Aussagen, die als Argumente bei eigenen Überlegungen oder von anderen verwendet werden; (b) Beurteilung der Daten, Erfahrungen und Begründungen, die für diese Aussagen relevant sind, durch Vergleichen und Gewichten, was für und was gegen sie spricht; und (c) Schlußfolgerungen, die die Qualität und die Quantität der Daten, Erfahrungen und Begründungen berücksichtigen.
Quelle: Institut für Leistungsentwickelung
Schul- und Bildungssystem
Gemeinsam mit meiner Frau, haben wir zwei Kinder. Einen Sohn (16) und eine Tochter (13). Ich habe also eigene sehr aktuelle Erfahrungen. Beide gehen in die gleiche (öffentliche) Schule, sind aber nicht im gleichen Bildungsweg. Unser Sohn hatte anfänglich seine Probleme und ist deshalb im Realschulzweig, während unsere Tochter im Gymnasialzweig ist.
Die Schulbildung zielt auf ein einziges Ziel ab, Kurzzeitgedächtnis und das abspulen von Prüfungen / Tests. Die Schülerinnen werden dazu animiert nicht Dinge zu verstehen, sondern ein Ergebnis auswendig zu lernen um dies für eine Prüfung / Test wiedergeben zu können. Die Lehrerinnen sind gar nicht in der Lage, teilweise weil selbst überfordert, nicht gewollt bzw. Aufgabe, Themen in Tiefe zu besprechen und es ist auch gar nicht vorgesehen.
Aktuelle Gegebenheiten werden ignoriert oder höchstens sehr oberflächlich angesprochen. So wurde z.B. die Bundestagswahl 2021 und dazugehörig was Wahlen sind oder wie das Politische System in Deutschland funktioniert überhaupt nicht behandelt. Zumindest in der Klasse unseres Sohnes (damals 15) hätte dies Thema sein müssen, vor allem auf Hinsicht das aktuell diskutiert wird, dass die jugendlichen ab 16 ein Wahlrecht erhalten sollen. Es wurde aber auch bis zu diesem Zeitpunkt, das letzte Realschuljahr für unseren Sohn, angesprochen. Ein mündiger Bürger sieht anders aus. Ist es dann nicht auch verständlich, dass die Mehrheit der jugendlichen und jungen Erwachsenen, gar kein Interesse an Politik und Wahlen haben?
Das Schulsystem ist in allen belangen veraltet. Die Methodik und Didaktik ist veraltet. Die genutzten Medien sind veraltet. Von digitalen Medien muss gar nicht geredet werden, da Schule sowie Lehrer*innen, gar nicht in der Lage sind diese zu Nutzen oder Bedienen. Schulen haben selber gar nicht die Expertise oder Personal, fachgerecht eine sinnvolle digitale Infrastruktur aufzubauen. Der Lehrkörper hat nie in der eigenen Ausbildung den Umgang mit digitalen Medien erfahren.
Dazu kommt noch chronischer Personalmangel und dadurch eine Vielzahl an Stundenausfall.
Alles keine guten Voraussetzungen für kritisches Denken.
Ein Beispiel aus meiner englischen Schulausbildung, die ich in Deutschland komplett vermisse (oder zumindest an dieser Schule). Regelmäßiges (wöchentliches) moderiertes debattieren. Es wurde ein Thema vorgegeben und die Klasse in zwei Lager unterteilt, dafür und dagegen. Dabei war es egal, was man selber über das Thema gedacht hatte, ggf. war man selber gegen ein Thema, musste aber dafür debattieren. Anschließend wurde gemeinsam innerhalb der Gruppe überlegt wie das Thema angegangen werden kann, welche Argumente es gibt, inkl. gegen Argumente. Jeder hat dann einen Teil selbst ausgearbeitet. Am Ende der Woche kam dann die Debatte. Nicht der Lehrerin hat die Debatte moderiert, sondern zwei vorher festgelegte Schulerinnen. Die Lehrkraft hat die Debatte verfolgt und am Ende seine eigenen Eindrücke erläutert. Hier ging es nicht darum wer die Debatte gewonnen hat, sondern darum sich mit einem Thema auseinander zu setzen, welches vielleicht gar nicht sonst von Interesse gewesen wäre. Logische Argumentationsketten zu bilden und Gegenargumente zu formulieren. Dies schulte nicht nur das freie reden aber auch das logische und kritische Denken. Die vielfallt der Themen fördert das allgemein Wissen.
Weltweites Phänomena
Überall dort, wo Menschen einer schlechten allgemein Bildung haben sowie nicht kritisches Denken anwenden oder erlernt haben, ist ein aufleben von rechtes Gedankengut, Verschwörungstheorien und religiöser Fanatismus zu erkennen. Wir sind in einem Zeitalter angekommen, in der Wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage gestellt werden. Es wird aber nicht mit fundierten Fachwissen eine Wissenschaftliche These widerlegt, sondern mit unsinnigen Behauptungen, ohne jeglichen Fakten oder Beweise.
Es wurde der Begriff „Alternativen Fakten“ geprägt, welches nichts anderes ist als mit Absicht verteilte falsch Informationen. Man kann dazu auch Lügen sagen. Da diese aber auch politisch motiviert genutzt werden, ist es auch Propaganda.
So etwas gab es schon immer, mehr oder mal weniger verbreitet und öffentlich wirksam. Nun aber begünstig durch (digitale) Soziale Medien, ist eine extrem schnelle Verbreitung diese falschen Informationen möglich. Da ein teil der Bevölkerung nicht kritisch hinterfragt was das für Informationen sind oder von welcher (vertrauensvolle) Quelle, ist es einfach diese Personen zu beeinflussen. Faschisten haben dies bereits ausgenutzt und politische Parteien wie die AfD oder Bewegungen wie die Querdenker tun nichts anderes.
Es ist also ein großer Kreislauf der bereits etliche Generationen läuft und negative Auswirkungen hat. Deshalb nimmt die Anzahl insgesamt zu und wird auch nicht so einfach sein wieder Rückgängig zu machen.
Aktuelle Ereignisse
Die Covid-19 Pandemie und das aufleben der Querdenker, Impfgegner und weitere Rechte Gruppierungen sowie die letzten Bundestags- und Landtagswahlen zeigen deutlich die Tendenz. Natürlich kann nicht alles nur auf diese eine Ursache verallgemeinert werden, es gibt sicherlich noch viele weitere Einflussfaktoren, die aber dieses bereits lange Posting sprengen würden.
Die Wahre Pandemie ist eine Pandemie der Bildungslücken und fehlendes kritisches Denken. Diese Pandemie ist schleichend schon seit mindestens 20+ Jahren in der Entwicklung.