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Rede und Antworten Sergej Lawrow, nach den Verhandlungen mit dem Außenminister der Republik Belarus, Wladimir Makej

Quelle: mid.ru

Sehr geehrter Herr Makej,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Unsere Verhandlungen, wie mein Kollege und Freund gerade gesagt hat, verliefen in einer wirklich freundlichen, vertrauensvollen Atmosphäre und waren ziemlich substanziell, wie es auch zwischen Verbündeten und strategischen Partnern sein soll. Zuallererst möchte ich nochmals Dankbarkeit an unsere belarussischen Freunde für traditionelle Gastfreundlichkeit in der schönen Stadt Minsk, sehr gute Organisation unserer Arbeit zum Ausdruck bringen.

Der Besuch ist mit einem wichtigen historischen Datum zeitlich abgestimmt – 30. Jahrestag der Aufstellung der diplomatischen Beziehungen (25. Juni). Es ist natürlich eine weitere, obwohl auch wichtige Etappe in der jahrhundertealten gemeinsamen Geschichte von zwei wahren Brudervölkern. Zu diesem Anlass haben wir gerade speziell zu diesem Datum herausgegebenen Briefumschläge abgestempelt sowie eine gemeinsame Jubiläumserklärung unterzeichnet, in die sie hoffentlich Einblick nehmen werden. Sie verdient es.

Es wurde besonders betont, dass wir in den letzten Jahren einen großen Weg beim Ausbau des Integrationsbaus zurücklegten. Die Außenministerien Russlands und der Republik Belarus gewährleisten diplomatische Begleitung bei der Umsetzung von 28 Unionsprogrammen der Wirtschaftsintegration, die im November 2021 vom Obersten Staatsrat des Unionsstaates gebilligt wurden.

Heute erörterten wir aktuelle Fragen der bilateralen Beziehungen. Wir besprachen den Terminplan der bevorstehenden Kontakte, darunter Vorbereitung einer gemeinsamen Sitzung der Kollegien der Außenministerien Russlands und Belarus, die für viertes Quartal dieses Jahres geplant sind. Wir erörterten den Verlauf der Erfüllung des Plans der Konsultationen zwischen Außenministerien 2022-2023.

Wir denken, dass besondere Erfolge im handelswirtschaftlichen und Investitionsbereich erreicht wurden. Im vergangenen Jahr näherte sich der Umfang des gegenseitigen Handels der Marke 40 Mrd. US-Dollar an. Es werden gemeinsame Projekte wie der Bau des AKW Belarus umgesetzt. Es festigt sich die industrielle Kooperation, es werden neue Produktions- und Logistik-Ketten aufgenommen.

Wir schätzen eine aktive, breite Entwicklung der zwischenregionalen Verbindungen positiv ein. Heute beginnt in Grodno das IX. Forum der Regionen Russlands und Belarus, auf dem der Abschluss der Verträge für eine Rekordsumme, die laut Einschätzungen sich auf 1 Mrd. Dollar belaufen wird, geplant ist.

Es wurde viel zu regionalen und internationalen Sujets gesprochen. Es wurde vereinbart, die Festigung der außenpolitischen Koordinierung fortzusetzen, gemeinsam die Interessen unserer Länder in der internationalen Arena gemäß den zweijährigen Programmen der abgestimmten Handlungen im Bereich Außenpolitik zu verteidigen.

Man äußerte sich für die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit in multilateralen Vereinigungen, vor allem EAWU, OVKS und GUS. Wir haben fast vollständig übereinstimmende Positionen zu den Fragen der weiteren Entwicklung der eurasischen Integration.

Es wurde vereinbart, die Koordinierung auch in anderen multilateralen Formaten, vor allem in UNO und OSZE fortzusetzen. Es wurde der Verlauf der Umsetzung der Projekte der UNO in Belarus besprochen, viele von denen von der russischen Seite finanziert werden. Wir werden weiterhin den Versuchen energievoll Widerstand leisten, die Menschenrechtsthematik zu politisieren. Solche Versuche, die keine Aussichten haben, sind in der UNO und OSZE zu erkennen. Der Westen setzt sie beharrt fort.

Wir haben ernsthafte Besorgnisse wegen der Tätigkeit der Nato in unmittelbarer Nähe von unseren Grenzen, vor allem im Baltikum und Polen. Wir haben eine einheitliche Meinung – solche Handlungen haben einen offen konfrontativen Charakter und führen zur weiteren Eskalation der Spannung und Fragmentierung des europäischen Raums der Sicherheit und Zusammenarbeit, also führen zu den Ergebnissen, für deren Nichtzulassung die OSZE geschaffen wurde. Jetzt wird das mit eigenen Händen zerstört, darunter das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit, das auf der höchsten Ebene der OSZE lautstark Ende der 90er- Jahre und 2010 ausgerufen wurde – kein Staat soll seine Sicherheit auf Kosten der Anderen festigen.  

Angesichts der offen unfreundlichen Schritte der USA und ihrer Satelliten gegenüber unseren Ländern wurde eine feste Entschlossenheit bestätigt, weiterhin jede Versuche der Westler zur Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten zu bekämpfen. Es wurde vereinbart, unsere Anstrengungen zur Bekämpfung der illegitimen einseitigen Handlungen Washingtons und Brüssels und ihrer Verbündeten in der internationalen Arena weiterhin anzukoppeln.

Wir informierten die Kollegen über unsere Einschätzungen der militärischen Sonderoperation in der Ukraine. Der Dialog zu diesen Fragen ist regelmäßig. Vor kurzem wurde dieses Thema auf der höchsten Ebene von unseren Präsidenten auf dem Treffen am 25. Juni in Sankt-Petersburg besprochen.

Wir sind unseren belarussischen Verbündeten für ein vollständiges Verständnis der Gründe, Ziele und Aufgaben der militärischen Sonderoperation, über die gestern Präsident Wladimir Putin in seiner Rede nach dem Kaspi-Gipfel in Aschgabat sprach, dankbar.

Während des Meinungsaustausches zur strategischen Stabilität und Rüstungskontrolle wurde besondere Aufmerksamkeit der Biosicherheit gewidmet. Wir sind gemeinsamer Meinung, dass die Tätigkeit der Amerikaner im Postsowjetraum ziemlich gefährlich und intransparent ist. Von den Risiken zeugt die Arbeit der US-Biolabore Pentagons, die in der Ukraine entdeckt wurden. Wir deckten diese Fakten auf und nachdem keine Antwort von Amerikanern erhalten worden war, begannen den Prozess, der durch Biowaffenkonvention gemäß ihrem Artikel 5 vorgesehen ist. Wir schickten Anfragen an die Teilnehmerländer dieses wichtigen internationalen Vertrags. Wir sehen Bedrohungen für die nationale Sicherheit Russlands und Belarus, den fehlenden Wunsch der USA, die Transparenz ihrer militärbiologischen Tätigkeit in vielen Ländern, vor allem um die Russische Föderation und Belarus im Postsowjetraum zu gewährleisten. Wir haben eine Vereinbarung in der OSZE zur Aufnahme eines engen und transparenten Zusammenwirkens zu diesen Fragen als Bekämpfung der Versuche, solche Projekte, die Besorgnisse bei unseren Ländern auslösen, hinter geschlossenen Türen, ohne Transparenz zu fördern.   

> Ein weiteres Thema, bei dem wir kooperieren – die Bekämpfung eines schmutzigen Informationskrieg, der vom „kollektiven Westen“ gegen unsere Länder entfacht wurde. Es wurde vereinbart, die russisch-belarussische Zusammenarbeit im Bereich Massenmedien auszubauen und zu vervollkommnen, was für sie besonders interessant sein soll.

Wir sind mit den Ergebnissen der stattgefundenen Verhandlungen zufrieden. Sie fördern die weitere Entwicklung unserer außenpolitischen Koordinierung auf Grundlage der Verbündeten- und strategischen Partnerschaft zum Wohle unserer Länder und Brudervölker.

Frage: Eine riskante Energie- bzw. Rohstoff-Aufteilung der Welt. Womit rechnen die USA und die EU, wenn sie auf den russischen Import verzichten?

Sergej Lawrow: Womit sie rechnen, ist meines Erachtens allen klar. Sie genieren sich nicht, darüber zu sprechen. Sie sagten das erneut gestern auf dem Nato-Gipfel in Madrid, wenn man mit einer bedingungslosen Gehorsamkeit aller anderen Staaten rechnet, was die egoistischen Interessen vor allem der USA widerspiegelt. Wir konnten uns mehrmals darin vergewissern, dass modernes Europa in Gestalt der EU an Selbstständigkeit (oder sogar Merkmale der Selbstständigkeit) verliert. Sie ist absolut den Positionen unterordnet, die ihr von den US aufgedrängt werden, darunter im Bereich Wirtschaftssanktionen, verzichten auf russischen Import, wobei die seit Jahrzehnten geschaffenen Logistik- und Finanzketten zerstört werden.

Sehen Sie sich die jetzt existierende Sanktionsliste an. Eine interessante Analyse. Vergleichen sie Beschränkungen, die europäische Länder gegen Russland und Belarus, mit entsprechenden amerikanischen Restriktionen einführen. Die USA schonen sich und bemühen sich, nicht aktiv in den Bereichen vorzugehen, wo ein bedeutender Schaden der eigenen Wirtschaft zugefügt werden kann. Ja, die USA bekommen auch einen negativen Effekt wegen solcher Tätigkeit, doch Europa leidet viel mehr. Ich denke, dass die Aufgabe nicht nur darin besteht, unsere Länder zu bestrafen, sondern auch die EU als Konkurrent der USA abzuschwächen.

Frage: Auf dem Gipfel in Madrid sagte die Nato, dass sie in ihrem neuen strategischen Konzept Russland als Hauptbedrohung für die Allianz bezeichnet. Nach solchen Erklärungen und Beschluss über die Festigung der Ostflanke hält sich Moskau für verbunden mit Verpflichtungen gemäß Russland-Nato-Grundakte oder kann man sagen, dass dieses Dokument seine Kraft verloren hat?

Sergej Lawrow: Im juridischen Sinne existiert die Grundakte weiter. Wir initiierten nicht das Verfahren der Kündigung dieser Vereinbarung. In der Nato liefen kurz vor dem Gipfel lange und laute Diskussionen darüber, ob die Grundakte notwendig ist oder man darauf lieber verzichten soll. Im Ergebnis wurde beschossen, dieses Thema nicht anzuschneiden, aber die getroffenen Beschlüsse verletzen sie sehr grob, vor allem in Bezug auf die Verpflichtungen der Nato, auf ständiger Grundlage keine bedeutenden Kampfkräfte in den neuen Mitliedern der Allianz (ich meine osteuropäische Länder) zu stationieren.

Wir werden die Situation analysieren und den Beschluss je danach treffen, wie konkret die angenommenen und ausgerufenen Beschlüsse der Nato umgesetzt werden.

Frage: Ist in der Zukunft die Wiederherstellung von mehr oder weniger normalen politischen und diplomatischen Beziehungen mit EU-Ländern möglich? Wird es einen neuen „Eisernen Vorhang“ geben? Haben wir einen Block wie Nato und EU?

Sergej Lawrow (nach Wladimir Makej): Ich kann fast allem Gesagten zustimmen. Was die Beziehungen zur EU betrifft, hat Russland sie seit 2014 nicht mehr. Brüssel verschluckte eine erniedrigende Geste der Opposition, die den Staatsstreich in der Ukraine wider Garantien der EU organisierte. Als Antwort darauf weigerten sich die Krim-Bewohner, im neonazistischen Staat zu wohnen. Ebenso gingen auch die östlichen Gebiete der Ukraine vor. Die EU fand keinen Mut, die Putschisten zu zähmen, die die Macht illegal ergriffen, unterstützte sie aber de facto bei der Offensive, darunter physisch, gegen die Bewohner der Krim und der Ostukraine. Als es zu Volksabstimmung in der Krim kam und die Volksrepubliken Donezk und Lugansk ausgerufen wurden, stellte sich die EU statt das Einhalten der selbst vorbereiteten Vereinbarungen zwischen Präsident Viktor Janukowitsch und der Opposition anzustreben, an die Seite des ultranationalistischen, neonazistischen Regimes, das zu seiner Aufgabe den Kampf gegen russische Sprache und Kultur erklärte. In allen nächsten Jahren bewiesen die Regimes von Pjotr Poroschenko und Wladimir Selenski die Treue Kiews gerade an diese Einstellung.

Im Jahr 2014, als sich das alles ereignete, erklärte die EU wegen Ohnmacht und Begreifen der eigenen Unfähigkeit, die Erfüllung eigener Vorschläge zu erreichen, die Russische Föderation für schuldig. Sie führte Sanktionen gegen unser Land ein und hob den für Juni 2014 geplanten Russland-EU-Gipfel auf, zerstörte alle anderen Mechanismen, die zwischen uns seit Jahrzehnten geschaffen wurden: Gipfel, die zweimal pro Jahr stattfanden, Jahressitzungen der Regierung Russlands und der EU-Kommission, vier gemeinsame Räume, in denen vier Roadmaps aufgebaut wurden, 20 sektorale Dialoge, darunter über Visumsfreiheit u.v.m. Das alles wurde auf einmal zerstört. Seit der Zeit gibt es keine Beziehungen. Es fanden irgendwelche technische Kontakte statt, aber nichts mehr. Es ist nicht verwunderlich, dass die Beziehungen jetzt fehlen, doch wir „schließen“ nie. Ab jetzt werden wir weder den Amerikanern, noch der EU vertrauen. Wir unternehmen alles mögliche, um von ihnen in den kritisch wichtigen Bereichen für das Leben des Staates, der Bevölkerung und unsere Sicherheit nicht abzuhängen. Falls die Besessenheit bei ihnen vorbei sein wird und sie sich zu uns mit irgendwelchem Vorschlag wenden werden, werden wir sehen, was konkret gemeint ist.

Wir werden nicht zum Vorteil ihrer einseitigen Wünsche vorgehen. Wenn es zur Aufnahme des Dialogs kommen wird, werden wir ausschließlich Gleichberechtigung und Ausrichtung auf das Gleichgewicht der Interessen aller Teilnehmer, mit Gerechtigkeit fordern.

Was den „Eisernen Vorhang“ betrifft, senkt er fast schon. Mögen sie sich aber vorsichtig verhalten, um sich nicht zu beschädigen. Der Prozess wurde eingeleitet. Ansonsten haben wir eine einheitliche Position – wir sind für Gerechtigkeit.

Unsere „Partner“ weigerten sich 2014, den Gipfel durchzuführen, als ernsthafte Ereignisse passierten – Staatsstreich, Referendum auf der Krim, grundlegende Änderung der Situation im Schwarzmeergebiet. Wenn sie wirklich nach Lösungen suchen wollen, ließ Gott selbst dieses Treffen durchführen und es ehrlich besprechen, welche Ansprüche man hat und welche Fragen bei den Partnern in der Russischen Föderation an die EU entstehen. Der Verzicht auf jede Kontakte nach März 2014 zeigt nur, dass die EU nicht an solchem Dialog interessiert ist, unsere Interessen nicht hören will. Sie will nur, dass alle dem zustimmen, was in Brüssel beschlossen wurde. Dort wurde beschlossen, was in Washington beschlossen wurde. In den letzten Jahren haben wir uns darin vergewissert.

Frage: Norwegen weigerte sich, russische Frachten auf Spitzbergen passieren zu lassen. Dazu gehören Lebensmittel, Medikamente, notwendige Ausstattung. Welche Schritte werden unternommen, um die Frage der Lieferung zu lösen? Wie könnten die Gegenmaßnahmen sein?

Sergej Lawrow: Zunächst wollen wir sehen, wie Norwegen auf unsere Appelle reagieren wird, die gleich nach dem Vorfall gemacht wurden. Wir schickten eine offizielle Anfrage mit beharrlicher Forderung zu erklären, wie das mit den Verpflichtungen Norwegens gemäß dem Vertrag über Spitzbergen 1920 übereinstimmt. Ich hoffe, dass sie umgehend antworten werden. Dann werden wir die Situation analysieren. Wir werden das schnell machen.