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Europäische Parlament: Die Menschenrechtslage in Xinjiang unter Berücksichtigung der Polizeiakten von Xinjiang

Quelle: europarl.europa.eu (PDF)

Schon fasst vergessen und kaum präsent in den Medien, das Menschen Rechtsproblem in China bzgl. der Uiguren. Eine systematische Verfolgung einer ethnische Volksgruppe und das einsperren in "Erziehungslager". Bis auf eine fehlende Beweise für Gaskammern oder Massengräber, kennen wir das doch...


Europäisches Parlament 2019-2024

ANGENOMMENE TEXTE

P9_TA(2022)0237 Die Menschenrechtslage in Xinjiang unter Berücksichtigung der Polizeiakten von Xinjiang Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Juni 2022 zur Menschenrechtslage in Xinjiang unter Berücksichtigung der Polizeiakten von Xinjiang (2022/2700(RSP))

Das Europäische Parlament,

  • unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen und Berichte zur Lage in China, insbesondere diejenigen vom 17. Dezember 2020 zu Zwangsarbeit und der Lage der Uiguren im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang1 und vom 19. Dezember 2019 zu der Lage der Uiguren in China (vor dem Hintergrund der „China Cables“)2,
  • unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
  • unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966,
  • unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/19983 des Rates und den Beschluss (GASP) 2020/199 des Rates vom 7. Dezember 20204 über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße,
  • unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von 1989,
  • unter Hinweis auf Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China, in dem allen Bürgern das Recht auf Religionsfreiheit garantiert wird, und auf Artikel 4, in dem die Rechte der ethnischen Minderheiten verankert sind,
  • gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Förderung und Achtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit im Mittelpunkt der Beziehungen der EU zu China stehen sollten, was mit der Verpflichtung der EU, diesen Werten in ihrem auswärtigen Handeln Rechnung zu tragen, und mit Chinas Zusage, diese Werte im Rahmen seiner eigenen Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Zusammenarbeit zu achten, im Einklang steht;

B. in der Erwägung, dass das Internationale Konsortium investigativer Journalisten und eine Reihe internationaler Medien, darunter die BBC, El País aus Spanien, Le Monde aus Frankreich und Der Spiegel aus Deutschland, in der Lage waren, die Polizeiakten von Xinjiang zu prüfen;

C. in der Erwägung, dass die zuständigen chinesischen Staatsorgane die Vorwürfe massiver und struktureller Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang bestritten haben;

D. in der Erwägung, dass die Polizeiakten von Xinjiang im Einzelnen – und zum ersten Mal mit zahlreichen Fotos – die Ausmaße der systematischen, brutalen und willkürlichen Unterdrückung im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang dokumentieren;

E. in der Erwägung, dass dieses Material beweist, dass die Zentralregierung in Peking (Beijing), einschließlich Xi Jinping und Li Keqiang, und leitende Beamte des Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang von der Leitung der Masseninternierungspolitik in Xinjiang unterrichtet sind, sie aktiv unterstützen und unmittelbar daran beteiligt sind; in der Erwägung, dass die Dokumente auch Hinweise darauf enthalten, dass Präsident Xi Jinping über die Kampagnen der „Umerziehung“ Xinjiangs, des „harten Durchgreifens“ und der „Entradikalisierung“ sowie die fortlaufenden Ausgaben für zusätzliche Hafteinrichtungen und Personal zur Bewältigung des Zustroms an Gefangenen unterrichtet ist und sie aktiv unterstützt;

F. in der Erwägung, dass das Uiguren-Tribunal und weitere glaubwürdige, unabhängige Untersuchungsgremien und Forschungsorganisationen zu dem Schluss gelangt sind, dass die schweren und systembedingten Menschenrechtsverletzungen Chinas gegen die Uiguren und andere ethnische Turkvölker Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord gleichkommen1; in der Erwägung, dass die US-Regierung und Rechtsetzungsorgane in den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Litauen, Tschechien und Irland ähnliche Feststellungen getroffen haben;

G. in der Erwägung, dass seit 2017 verschiedene nichtstaatliche Organisationen wiederholt berichtet haben, dass China in Xinjiang die massenhafte Inhaftierung von Uiguren, Kasachen und sonstigen vorwiegend muslimischen ethnischen Gruppen betreibt;

H. in der Erwägung, dass die gegen die Uiguren begangenen Gräueltaten im Zusammenhang mit Chinas umfassenderer repressiver und aggressiver Innen- und Außenpolitik gesehen werden müssen;

  1. verurteilt aufs Schärfste, dass die Gemeinschaft der Uiguren in der Volksrepublik China systematisch durch brutale Maßnahmen, darunter Massendeportation, politische Indoktrinierung, Trennung von Familien, Einschränkungen der Religionsfreiheit, Kulturzerstörung und den umfassenden Einsatz von Überwachung, unterdrückt wird;
  2. stellt fest, dass die glaubwürdigen Beweise für Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten und die Trennung uigurischer Kinder von ihren Familien Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen und eine ernsthafte Gefahr eines Völkermords bedeuten; fordert die chinesischen Staatsorgane auf, sämtliche staatlich geförderten Programme der Zwangsarbeit und massenhaften Zwangssterilisation einzustellen und jegliche Maßnahmen, die auf eine Verhinderung von Geburten bei der uigurischen Bevölkerung abzielen, einschließlich Zwangsabtreibungen oder Sanktionen für Verstöße gegen die Geburtenkontrolle, sofort zu beenden;
  3. ist zutiefst besorgt über die übertriebenen und willkürlichen Hafturteile, die aufgrund von Terrorismus- oder Extremismusvorwürfen verhängt wurden, die den Polizeiakten von Xinjiang zufolge bedeuteten, dass 2018 22 000 Personen inhaftiert wurden, was 12 % der erwachsenen uigurischen Bevölkerung des Landkreises Konasheher entspricht; ist besorgt über die Vorwürfe systematischer Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs und der Folter von Frauen in Umerziehungslagern Chinas;
  4. fordert die chinesische Regierung nachdrücklich auf, die gegen Uiguren und andere ethnische Turkvölker gerichtete Praxis der willkürlichen Internierung, ohne dass sie angeklagt, vor Gericht gestellt oder wegen einer Straftat verurteilt werden, umgehend einzustellen, alle Lager und Hafteinrichtungen zu schließen und die inhaftierten Personen sofort und bedingungslos freizulassen und die uigurischen Kinder, die zwangsweise in vom Staat betriebenen Internaten untergebracht worden sind, mit ihren Eltern zusammenzuführen;
  5. weist darauf hin, dass China das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert hat, wonach ein absolutes und ausnahmsloses Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gilt;
  6. fordert die chinesischen Staatsorgane auf, den uigurischen Wissenschaftler und Sacharow-Preisträger des Jahres 2019 Ilham Tohti unverzüglich und bedingungslos freizulassen und in der Zwischenzeit dafür Sorge zu tragen, dass er regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu seiner Familie und zu den Anwälten seiner Wahl hat;
  7. bekräftigt seine Forderung an die chinesischen Staatsorgane, unabhängigen Journalisten, internationalen Beobachtern und Untersuchungsgremien, insbesondere den Mandatsträgern der Sonderverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen und dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, freien, effektiven und ungehinderten Zugang zum Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang sowie uneingeschränkten Zugang zu den Internierungslagern zu gewähren, damit die Behauptungen Chinas, wonach diese nicht mehr in Betrieb seien, geprüft werden können;
  8. erinnert an die Vorschläge, eine Sondertagung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen oder eine Dringlichkeitsdebatte über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in China abzuhalten und im Einklang mit einem weltweiten Aufruf von Hunderten Organisationen der Zivilgesellschaft aus allen Regionen eine Resolution zur Schaffung eines Überwachungs- und Berichterstattungsmechanismus anzunehmen;
  9. bedauert, dass die chinesischen Staatsorgane der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte im Rahmen ihres Besuchs in China und dem Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang keinen uneingeschränkten Zugang zu unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidigern und den Internierungslagern gewährt haben, wodurch sie daran gehindert wurde, Zeugin des gesamten Ausmaßes der politischen Umerziehungslager in Xinjiang zu werden; bedauert, dass die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die chinesische Regierung während ihres Besuchs nicht eindeutig für die Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren zur Rechenschaft gezogen hat;
  10. fordert die Hohe Kommissarin nachdrücklich auf, unverzüglich den seit langem erwarteten Bericht über die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang zu veröffentlichen, der sich auf das verfügbare, umfassende und stetig zunehmende Beweismaterial hinsichtlich des Ausmaßes und der Schwere der von den chinesischen Staatsorganen begangenen Menschenrechtsverletzungen stützt;
  11. fordert die Mitgliedstaaten und den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik nachdrücklich auf, rasch zusätzliche Sanktionen gegen hochrangige chinesische Amtsträger wie Chen Quanguo, Zhao Kezhi, Guo Shengkun und Hu Lianhe, gegen sonstige in den Polizeiakten von Xinjiang ermittelte Personen sowie gegen weitere Personen und Einrichtungen, die an systematischen Menschenrechtsverletzungen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang beteiligt sind, zu verhängen;
  12. fordert den Rat auf, sich auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates mit den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang zu befassen und die Mitgliedstaaten der G7 und der G20 nachdrücklich aufzufordern, sich ebenfalls mit dem Thema zu befassen;
  13. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Gräueltaten ein Ende zu setzen und die Verantwortlichen für die begangenen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, auch durch internationale Mechanismen der Rechenschaftspflicht;
  14. erkennt an, dass die Beziehungen zwischen der EU und China zunehmend durch wirtschaftlichen Wettbewerb und systemische Rivalität gekennzeichnet sind; erkennt an, dass die Staats- und Regierungschefs der EU auf dem jüngsten Gipfeltreffen zwischen der EU und China die schwerwiegenden Verstöße in Xinjiang zur Sprache gebracht haben, und betont, dass es wichtig ist, das Thema weiterhin bei jeder Gelegenheit und auf höchster Ebene anzusprechen;
  15. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, dringend die Risiken im Zusammenhang mit der von China ausgehenden Einflussnahme aus dem Ausland zu ermitteln und zu mindern; verurteilt aufs Schärfste alle Formen transnationaler Unterdrückung oder Versuche, chinesische Dissidenten oder im Ausland lebende Vertreter der Gemeinschaft der Uiguren zu unterdrücken;
  16. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, ihre Auslieferungsverträge mit China und Hongkong auszusetzen;
  17. fordert die chinesischen Behörden auf, allen Uiguren, die die Volksrepublik China zu verlassen wünschen, dies zu gestatten;
  18. fordert die Kommission auf, ein Einfuhrverbot für alle in Zwangsarbeit hergestellten Produkte und für Produkte sämtlicher chinesischen Unternehmen, die auf der Liste der Zwangsarbeit einsetzenden Unternehmen stehen, vorzuschlagen; bekräftigt seine Unterstützung für eine ehrgeizige Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit;
  19. bekräftigt seine Forderung an die EU und die Mitgliedstaaten, zu prüfen, ob Organisationen, die im Binnenmarkt der Union tätig sind, unmittelbar oder mittelbar an der Erstellung von Massenüberwachungssystemen in Xinjiang, am Betrieb oder am Aufbau von Hafteinrichtungen für Minderheitengruppen in Xinjiang oder an Transaktionen mit Personen beteiligt sind, gegen die wegen Verstößen an Uiguren und anderen Minderheitengruppen in Xinjiang Sanktionen verhängt wurden; betont, dass bei Feststellung dieser Tatsachen handelsbezogene Maßnahmen, der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge und Sanktionen ausgelöst werden sollten;
  20. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China zu übermitteln.