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100 Milliarden € Sondervermögen für die Bundeswehr – was bringt es?

In der Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 hat Bundeskanzler Scholz erklärt, dass die Bundeswehr dieses Jahr ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro erhalten würden.

Aber machen wir uns nichts vor: Bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal – das kostet viel Geld. Wir werden dafür ein „Sondervermögen Bundeswehr“ einrichten. Und ich bin Bundesfinanzminister Lindner sehr dankbar für seine Unterstützung dabei. Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Mittel werden wir für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben nutzen. Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren. Und ich richte mich hier an alle Fraktionen des Deutschen Bundestags: Lassen Sie uns das Sondervermögen im Grundgesetz absichern.

Quelle: Regierungserklärung Bundeskanzler Scholz

Schauen wir uns mal den 13. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten (Mai 2021) an

Quelle: 13. Bericht (PDF)

Beispiele für Auslieferungen – im Rahmen von Rüstungsprojekten – im Jahr 2020:

  • 3 von 7 gepanzerten Brückenlegesystemen Gefechtsfeldbrücke LEGUAN
  • 4 von 30 Fahrzeugen Joint Fire Support Team FENNEK
  • 6 von 18 Raketenwerfern Mittleres Artillerieraketensystem (MARS) II (Umrüstung)
  • 10 von insgesamt 10 Luftlanderettungsstationen
  • 11 von insgesamt 11 Transportpanzern FUCHS 1 A8A9 Joint Fire Support Coordination Team(Umrüstung)
  • 15 von 104 umgerüsteten Kampfpanzern LEOPARD 2 A7V
  • 800 Maschinengewehre MG5A2 (vollständige Auslieferung)
  • 1.000 von 3.27112 ungeschützten Transportfahrzeugen der Zuladungsklassen 5 t und 15 t
  • 1.745 Sturmgewehre Spezialkräfte leicht G95K (vollständige Auslieferung)
  • 87.225 Kampfjacken (kurze und lange Ausführung, vollständige Auslieferung)
  • 281.452 Kampfschuhe Soldatinnen und Soldaten (vollständige Auslieferung

Auslieferungen – im Rahmen von Kategorie A-Projekten – im Jahr 2020:

  • 1 Fregatte Klasse 125
  • 3 NATO-Hubschrauber 90 TTH
  • 4 Transportflugzeuge A400M
  • 6 NATO-Hubschrauber 90 NTH (SEA LION)
  • 21 Schützenpanzer PUMA

Auslieferungen – im Rahmen von Kategorie A-Projekten – in der Legislaturperiode13:

  • 3 Fregatten Klasse 125
  • 9 NATO-Hubschrauber 90 NTH (SEA LION)
  • 17 EUROFIGHTER
  • 23 NATO-Hubschrauber 90 TTH
  • 23 Transportflugzeuge A400M
  • 174 Schützenpanzer PUMA

Dem Bericht zur Folge, war die Bundeswehr in 2020 bis 2021 vor allem mit der Umstellung / Modernisierung Ihrer Verwaltungsstrukturen bzgl. Beschaffungen beschäftigt. Dies beinhaltete

  • Veränderungsmanagement
  • Projekt „Umsetzung Untersuchung und Optimierung der Beschaffungs- und Nutzungsorganisation“
  • Europäischer Verteidigungsfonds (der ab 2021 erstmals eingesetzt werden soll)
  • Sicherheits- und Verteidigungsindustrie
  • Rüstungskooperation
  • Life Cycle Cost Management
  • Forschungsgruppe Defense Acquisition and Supply Management
  • Vertragsmanagement
  • Einrichtung einer „Bewertungskommission“ im BAAINBw

Aber wie laufen den aktuelle Beschaffungsprojekte?

Nehmen wir mal ein Beispiel an den Projekten SPz PUMA, Kampfhubschrauber TIGER und GTK BOXER. So steht im Bericht:

Gegenüber dem Herbstbericht 2020 haben sich die zeitlichen Verzögerungen der Projekte leicht erhöht. Aktuell beträgt die Verzögerung im Mittel 4925 Monate gegenüber der ersten parlamentarischen Befassung und neun Monate gegenüber den aktuellen Verträgen.

Die Veranschlagung der betrachteten Projekte im Haushalt 2021/54. Finanzplan (FiPl.) hat sich mit insgesamt 70,8 Mrd. Euro gegenüber dem Haushaltsentwurf 2021/54. FiPl. und damit der Darstellung im Herbstbericht 2020 leicht verändert. Sie liegt rund 14 Mrd. Euro oder rund 25 % über der Veranschlagung zu Projektbeginn.

Bei den gegenüber dem Projektbeginn gestiegenen Veranschlagungen im Haushalt stellt mit 8,0 Mrd. Euro (rund 58 %27) die vertraglich fixierte Preiseskalation den mit Abstand größten Anteil dar. Neben der Preiseskalation ist die Veränderung der haushalterischen Abbildung gegenüber dem Projektbeginn maßgeblich durch Leistungsverbesserungen und Leistungsänderungen begründet. Diese belaufen sich auf 3,5 Mrd. Euro (rund 25 %).

Schon spannend, wenn es um Steuergelder geht, das Projekte bei denen es um größere Milliarden Summen geht, von „leichten Veränderungen“ der Rede sind. 14 Milliarden € Mehrkosten wird einfach mal so eben minimalisiert!

Die Bundeswehr muss sich an Vergabeverfahren halten, das gelingt auch nicht immer gemäß den Vorschriften, wird aber auch relativiert:

Im Jahr 2020 wurden bei 1.056 vom BAAINBw im Oberschwellenbereich durchgeführten Vergabeverfahren 164 Rügen eingelegt. In 16 Fällen wurde den Rügen teilweise oder vollständig abgeholfen. Es wurden insgesamt 17 Anträge auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt, davon wurde in 15 Fällen der Antrag zurückgenommen oder es erging eine Entscheidung zugunsten des BAAINBw, in einem Fall unterlag das BAAINBw. In einem weiteren Fall wurde der Hauptantrag zurückgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. In zweiter Instanz sind noch zwei Fälle anhängig. Die Anzahl der Rügen (164 = 16 %) und Nachprüfungsverfahren (17 = 1,6 %) ist gemessen an der Anzahl der im Oberschwellenbereich vergebenen Aufträge des BAAINBw (1.056) im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen. Der Anteil der Nachprüfungsverfahren, in denen das BAAINBw unterlag, ist aber gemessen an der Anzahl der im Oberschwellenbereich vergebenen Aufträge nach wie vor sehr gering (1 = 0,1 %) was auch im Jahr 2020 die sehr hohe Qualität der Durchführung der Vergabeverfahren durch das BAAINBw belegt.

Also scheint es keinen zu interessieren und es gilt als „sehr hohe Qualität“ wenn 16% der Vergaben gerügt werden. Schon praktisch wenn es nur ein klaps auf die Finger gibt, es aber nie Konsequenzen gibt.

Warum dauern Rüstungsbeschaffungen 20+ Jahre?

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Alleine bis das Parlament sich mit einzelnen Rüstungsprojekten befasst dauert es bereits Jahre. So hat es im Durchschnitt fast 50 Monate (über 4 Jahre) gedauert. Wobei erhebliche Ausbrecher nach oben vorhanden sind.

Beispiel NATO-Hubschrauber 90 TTH

134 Monate über den Termin zur Auslieferung aber wenigstens in 2021 scheint alles „nach Plan“ zu laufen und 32% über dem veranschlagten Budget.

Beispiel EUROFIGHTER (einschließlich AESA)

Hier sind wir ja nur kurze 32 Monate (2,5+ Jahre) über den geplanten Zeitplan und wenige 7 Milliarden über den Budget.

Beispiel Schützenpanzer PUMA

Der PUMA soll den viel zu alten MARDER ablösen und wäre für laufende Auslandseinsätze eines der wichtigsten Fahrzeuge. Die Zahlen sprechen mal wieder für sich.


Ich glaube es wird klar, das Rüstungsprojekte / -beschaffungen erstens sehr viel Zeit in Anspruch nehmen aber vor allem auch sehr viel Geld und leider meist deutlich mehr am Ende Kosten als ursprünglich geplant.

100 Milliarden sind gemessen an was solche Großgeräte kosten extrem schnell weg.

Was aber weiterhin vergessen wird, trotz des vielen Geldes, ändert es nichts an der Truppenstärke der Bundeswehr. Derzeit hat die Bundeswehr gerade mal ~184.000 Soldaten*innen.

Nachdem neues Gerät an die Truppe ausgeliefert wurde, muss das Personal in neuen Geräten ausgebildet werden.

Während natürlich die 100 Milliarden für die Bundeswehr dringend notwendig sind, ist dies nur ein sehr kleiner Tropfen auf einem sehr heißen Stein. Neben dem, dass die Bundeswehr schon wieder Umstrukturiert wird, muss überlegt werden, wie die Truppenstärke der Bundeswehr nachhaltig gesteigert werden kann. Denn mit der jetzigen Truppenstärke kann und wird die Bundeswehr Ihren Aufgaben nicht gerecht werden können.